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Category: Lesen

Stille

Längere Zeit habe ich nicht über Bücher gebloggt. Was nicht daran lag, dass ich nicht gelesen habe. Nein. Ich habe nur vielmehr nichts gelesen, das es wert gewesen wäre, darüber zu bloggen. Sachbücher sind selten spannend genug für eine Rezension. Und in der Literatur ist es ähnlich: es gibt viel Gutes, das mich unterhält, aber nur Weniges, das den Weg in den Blog finden wird, da dies immer etwas Besonderes sein sollte.

„Stille“ ist so etwas Besonderes.

Angesiedelt zwischen Sachbuch, Erfahrungsbericht und persönlichem Journal ist es für mich ein echtes Juwel, wenn man sich mit diesem Thema beschäftigen möchte. Es handelt sich hier nicht um ein weiteres Achtsamkeits-, Weisheiten- und Meditations-Problemlösungsgeschwurbel, auf dessen Zug viele Verlage meinen, noch ein Hyggelchen draufsetzen zu müssen. Sondern um ein kleines, feines, leises Buch abseits des lauten Mainstream. Wie vom Insel Verlag zu erwarten. Der sehr gelungene Kontrast zwischen Buchumschlag und -deckeln wird dem Thema obendrein in gekonnter Form gerecht, und das Papier ist für alle Freunde des bedruckten Blattes haptisch eine wahre Freude.

Natürlich spielen die o. g. Themen eine Rolle, wenn es um Stille, insbesondere die innere Stille geht. Dem Autor gelingen hier aber sehr persönliche Eindrücke, gespickt mit kleinen philosophischen und lyrischen Abstechern, die mich persönlich schon seit längerer Zeit bewegen und beschäftigen. Parallel dazu liest man von sehr modernen Einsichten, die einen durchaus zum weiteren Nachdenken anregen.

Fazit: Ein Kleinod, das ich sicherlich nicht nur einmal gelesen haben werde. Ein ganz besonderes Buch!

Mein Kopf ist voller unausgereifter Gedanken, und ich schaffe es nicht, die Welt auszusperren. […] Stille zu erzeugen, ist bisweilen eine kleine Herausforderung. Manchmal schreibe ich mir verschiedene Gedanken auf einen Zettel, um sie so aus dem Kopf zu bekommen.

Die Korrekturen

Und wenn das Ereignis, die große Veränderung in deinem Leben, einfach nur eine Einsicht ist? Ist das nicht seltsam? Es verändert sich absolut nichts, außer dass Du die Dinge anders siehst und deswegen weniger ängstlich, mutiger und stärker bist. Ist es nicht wunderbar, dass ein unsichtbares Ding in Deinem Kopf sich realer anfühlen kann, als alles, was Du bis dahin real erlebt hast?

(Franzen, Die Korrekturen)

Ein schönes Wochenende! ? … lesen …

Bücher

Aufgewachsen in einer Druckerei inmitten von Setzkästen und Bleilettern werden das gedruckte Wort, sein Papiergeruch und daran interessierte Menschen immer etwas Besonderes für mich sein.

Bücher bereichern mich.

Bücher sind menschliche Gedanken über Dinge und Zustände, mit denen ich mich ohne Diskussionen auf einer Wellenlänge fühlen kann.

Bücher beschreiben fremde Welten. Worte liefern neue Blickwinkel. Mein Kopf kann sich mit etwas Neuem beschäftigen und wahlweise lernen oder entspannen, wenn ich wieder einmal das Gefühl habe, mein Verstand explodiert.

Bücher erzählen Geschichten und machen die Vergangenheit nicht vergessen. Biografien sind toll.

Sprache ist wichtig!

Lesen ist Stille. Konzentration. Ruhe.

„Lies, um zu leben.“ (Gustave Flaubert)

Murakami geht immer.

Sonntagslektüre.

„Hin und wieder hat das Schicksal Ähnlichkeit mit einem örtlichen Sandsturm, der unablässig die Richtung wechselt. Sobald du deine Laufrichtung änderst, um ihm auszuweichen, ändert auch der Sturm seine Richtung, um dir zu folgen. Wieder änderst du die Richtung. Und wieder schlägt der Sturm den gleichen Weg ein. Dies wiederholt sich Mal für Mal, und es ist, als tanztest du in der Dämmerung einen wilden Tanz mit dem Totengott. Dieser Sturm ist jedoch kein beziehungsloses Etwas, das irgendwoher aus der Ferne heraufzieht. Eigentlich bist der Sandsturm du selbst. Etwas in dir. Also bleibt dir nichts anderes übrig, als dich damit abzufinden und, so gut es geht, einen Fuß vor den anderen zu setzen, Augen und Ohren fest zu verschließen, damit kein Sand eindringt, und dich Schritt für Schritt herauszuarbeiten. Vielleicht scheint dir auf diesem Weg weder Sonne noch Mond, vielleicht existiert keine Richtung und nicht einmal die Zeit. Nur winzige, weiße Sandkörner, wie Knochenmehl, wirbeln bis hoch hinauf in den Himmel. So sieht der Sandsturm aus, den ich mir vorstelle.

[…]

Naturlich kommst du durch. Durch diesen tobenden Sandsturm. Diesen metaphysischen, symbolischen Sandsturm. Doch auch wenn er metaphysisch und symbolisch ist, wird er dir wie mit tausend Rasierklingen das Fleisch aufschlitzen. Das Blut vieler Menschen wird fließen, auch dein eigenes. Warmes, rotes Blut. Du wirst dieses Blut mit beiden Handen auffangen. Es ist dein Blut und das der vielen.
Und wenn der Sandsturm vorüber ist, wirst du kaum begreifen können, wie du ihn durchquert und überlebt hast. Du wirst auch nicht sicher sein, ob er wirklich vorüber ist. Nur eins ist sicher. Derjenige, der aus dem Sandsturm kommt, ist nicht mehr derjenige, der durch ihn hindurchgegangen ist. Darin liegt der Sinn eines Sandsturms.“

aus: Haruki Murakami, Kafka am Strand

Altweibersommer.

Literatur

Zeit für dicke Klassiker.

Große Liebe.

Wow!
Ein sehr besonderes Buch, gelesen und genossen in einem Rutsch. Großes Kino, große Sprache, große Liebe. Alles in allem: richtig große Gefühle, sprachlich gekonnt in Szene gesetzt und niemals kitschig. Von Euphorie und Schwermut, Glück und Leid und vom Verlust der Leichtigkeit durch die Vergangenheit.
Wer das mag: unbedingt lesen!