„Es ist hoffnungslos, und wir geben nicht auf!“
Johan Harstad: Max, Mischa & die Tet-Offensive – (m)eine Rezension.
Zwischen Eingangszitat
und Endzitat
liegen 1.240 Seiten einer Geschichte. Von Menschen wie wir sie sind.
Ich habe es langsam gelesen. Ganz entgegen meiner Art als Schnelleser. Ich habe jeden einzelnen Satz genossen, und ich liebe diesen, dicken, fetten Wälzer, der eine wunderbare Geschichte von miteinander verbundenen Menschen erzählt. Erzählt von Erinnerungen und Verlust – vom Verlust der Heimat, des Zuhauses und nicht zuletzt auch vom Finden und Verlust des Selbst. Von vergangenen Zeiten und verschwundenen Dingen – vom Verschwinden durch Alter, Krankheit, Unfälle und durch große, die Welt bewegende Ereignisse und Unglücke.
Als ich noch mittendrin in der Lektüre war, fragte mich eine Freundin, ob ich aktuell ein Buch zu empfehlen hätte, und es sprudelte geradezu aus mir heraus:
Jaaa, das kann ich, weil ich gerade im Halbschatten sitze und dieses sensationelle Buch lese. Harstad: „Max, Mischa und die Tet-Offensive“. 1.248 Seiten ?. Es ist Jugend in den 80ern, es ist Vietnam, es ist USA, es ist Kalter Krieg, es ist Theater und Film und Kultur, es ist Freundschaft, es ist schlichtweg genial (wie ich bis jetzt, nach 400 Seiten) finde. Ich werde jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit traurig sein, wenn es durch ist, ich es zuklappen und mich von den Charakteren verabschieden muss.
Nun habe ich es beendet und kann mit Fug und Recht behaupten, dass es so ist. Es ist ein Buch, das mir fehlt, dessen handelnde Personen mir über die vielen Seiten hinweg, die ich sie begleiten durfte, fehlen. Die leise, kluge Art und vielen kleinen versteckten weisen Sätze des Buches hallen nach. Über den Inhalt schreibe ich an dieser Stelle nichts weiter, wartet doch das Netz mit zahlreichen Zusammenfassungen auf. Ich schreibe auch nicht über den Werdegang des Autors (siehe oben). Ich schreibe auf, warum mir das Buch so sehr gefällt. Und das ist,
… weil ich eine Schwäche habe für die mitunter ellenlangen, endlosen Schachtelsätze, die einem das Gefühl geben, direkt am Gedankenfluss des agierenden, denkenden Charakters teilzuhaben.
… weil ich ein Geschichtsfreak bin und neben der Lektüre parallel viel über den Vietnamkrieg nachgelesen habe.
… weil ich das freiheitliche Geistesleben und Denken in Kunst und Kultur faszinierend finde und daher die Abschnitte über das Theater, den Film und die bildschaffende Kunst nahezu aufgesogen und im Buch beschriebene Interpretationen und Ausstellungskataloge mit Begeisterung gelesen habe.
… weil ich mich persönlich dem New York der 80er/90er Jahre verbunden fühle, das ich zu eben dieser Zeit ein paar Mal besuchen durfte.
… weil ich den Autor ungemein dafür schätze, dass es keine obligatorische Danksagung gibt und dass er, so liest man, auch die Buchdeckel und Umschlagseiten eigenständig entworfen und damit sein Werk ganzheitlich durchdacht und diesem von vorne bis hinten SEINE Note gegeben hat.
… weil ich ganz besonders die vorletzte Zeile des Buches liebe, die einen direkt nach dem Ende noch einmal in die ersten Seiten eintauchen lässt. Und so schließt sich, wie ich finde, äußerst gekonnt der Kreis zum Anfang:
Denn ich schreibe das alles trotz allem für euch, für uns, für mich. Ich schreibe es, bevor es mir abhandenkommt, wie es euch vielleicht längst abhandengekommen ist, weil früher oder später alles zu Dreck wird, […]. Ich schreibe nicht, weil das, was uns passierte nicht auch anderen passiert wäre; unsere Leben waren in keiner Weise spektakulär oder bedeutungsvoll. Sind es nie gewesen, bis heute nicht. Aber es waren unsere Leben, sie waren miteinander verwoben, und ich habe solche Angst, sie zu verlieren. Ich habe bereits angefangen, euch zu verlieren. […]
Wir zerbröckeln. Genau wie die Orte, aus denen wir kamen. […]
THIS IS FOR US.