Sinn
by Post-it
„Nennt die Welt, wenn ihr wollt, »das Tal der Seelenbildung«, dann werdet ihr auch den Sinn der Welt erkennen …“ (John Keats, Briefe, April 1819)
Wir verlieren alles, was wir lieben. Und alles, was wir tun, soll uns helfen, uns von dieser Tatsache abzulenken. Menschen möchten in dem, was sie tun, einen Sinn sehen. Aber die Frage nach dem Sinn, im Großen wie im Kleinen, ist nurmehr schwer zu erfassen. Verluste, Veränderungen, Fragen und Erwartungen lassen mich permanent zweifeln. Ich zweifle an mir selbst und meiner (kleinen) Welt. Wie sollen sich diese Zweifel durchstehen lassen, ohne nicht ständig irritiert nach Fakten, Gründen und Orientierungspunkten zu suchen?
Den besonders lieben Menschen um mich herum, die mir Verständnis und Hoffnung entgegenbringen, bin ich zutiefst dankbar. Jedem Einzelnen. Manchmal schaffen sie es, für einen kurzen Moment mein Leben zu erhellen. Aber der Sinn, den sie mir nach Kräften zu geben bemühen, wird mich derzeit nicht beständig ausfüllen können. Es gelingt mir nur flüchtig, ihnen Glauben zu schenken und zu erkennen, dass es das Leben gut mit mir meint, dass es großartig ist, dass ich glücklich sein und Freude empfinden sollte.
Der Tag wird kommen. Aber bis dahin muss erst einmal der Schmerz weichen: ein mentaler Erfahrungsprozess, in dem ich mich meiner Fähigkeit erinnern muss, die Realität erlittener Verluste und die absolute Diskontinuität zu begreifen statt sie zu verdrängen. Ein aufreibender Erfahrungsprozess, in dem zugleich die hektische Änderungswut unserer überdrehten Fortschrittsepoche wirkt.
Geistiger Trost ist mir Literatur und Dichtung. Indes, befriedigende Antworten im Nachdenken um das Leben und das Warum werde ich auch hier nicht finden. Nichts und niemand kann das. Kein Gespräch der Welt. Die Welt wird ohnehin nicht mehr zur Vernunft kommen. Aber was auch geschehen mag, sie dreht sich weiter. Unberührt von allem.
Keep going.